Interview - Anne-Kristin Barth vom Verband Deutscher Mühlen
Im Einsatz für Getreide
Anne-Kristin Barth ist Pressesprecherin des Verbands Deutscher Mühlen e. V. Sie beschäftigt sich berufsbedingt mit zahlreichen Getreidearten und schätzt schon lange die Vorzüge von Urgetreidesorten wie Dinkel und Emmer.
Wie hat sich die Anzahl der Urgetreide verarbeitenden Mühlenbetriebe in den letzten Jahren entwickelt?
Etwa 100 Mühlen in Deutschland verarbeiten Dinkel und andere Urgetreide wie Emmer und Einkorn, wobei Dinkel sicherlich die größte Menge ausmacht. Wir schätzen, dass die Zahl der Verarbeiter seit Jahren recht konstant ist, denn die Verarbeitung von Urgetreide muss zum Konzept des Unternehmens und seiner Kunden passen.
Welche Urgetreidesorten werden besonders stark nachgefragt?
Diese Jahr wurde erstmals die Vermahlung von Dinkel statistisch erfasst und im amtlichen Bericht zur Struktur der Mühlenwirtschaft ausgewiesen. Sie liegt 2019/20 bei 251.431 Tonnen. Zahlen für die Herstellung von Dinkelmehl gibt es bereits seit dem Wirtschaftsjahr 2015/16: Damals betrug die Mehlherstellung 90.302 Tonnen. Seither hat sie sich fast verdreifacht: Aktuell wurden 205.201 Tonnen Dinkelmehl hergestellt. Mit 140.000 Tonnen ist die helle Type 630 dabei am beliebtesten, gefolgt von Dinkelvollkornmehlen und -schroten mit fast 44.000 Tonnen. Für Emmer und Einkorn gibt es keine offiziellen Zahlen. Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit auf diesen Getreiden hoch ist, ist deren Vermahlung und Verarbeitung sicherlich weiterhin eine absolute Nische von wenigen Liebhabern. Für die agronomische Vielfalt auf den Feldern jedoch bieten sie einiges an Potential und sind ein echter Zugewinn.
Können Sie einen Trend zur Produktion und Verarbeitung von traditionellen und selteneren Getreidearbeiten erkennen? Sind auch Urgetreide im Trend?
Dinkel, ein enger Verwandter des Weizen, ist wie berichtet ganz klar im Trend. Auch wenn es viele heute nicht mehr wissen, Weizen ist genauso ein traditionelles Getreide. Er wurde bereits bei den alten Ägyptern angebaut. Für die Brotherstellung in Deutschland spielt er heute die größte Rolle. 2019/20 wurden gut 7,6 Millionen Tonnen Weizen zu 6,1 Millionen Tonnen Weizenmehl vermahlen. Wichtigstes Erzeugnis ist hier das Weizenmehl Type 550, gefolgt vom Haushaltsmehl Type 405. Auch hier gibt es Liebhaber, die sich um alte Sorten oder sehr spezielle Sorten bemühen und zum Beispiel Gelbweizen anbauen und vermahlen.
Für die deutsche Brotvielfalt sind Roggenmahlerzeugnisse unerlässlich. Wichtigste Roggenmahlerzeugnisse sind die Vollkornmehle und -schrote. Allerdings sehen wir hier in der Vermahlung seit Jahren einen Negativtrend. Die Roggenvermahlung geht zurück. Auch weil die Menschen heute mehr hellere Broterzeugnisse essen. Dabei bietet Roggen unglaublich viel Potential: Egal ob für die Landwirte im Anbau auf schwierigen Flächen bis hin zu den Verarbeitern und Verbrauchern. Roggenbrote halten sich lange frisch und schmecken auch nach Tagen noch gut, ein Vorteil für die Vorratshaltung. Roggen gehört einfach zu Deutschland und zu einer gesunden, ballaststoffreichen Ernährung. Gemeinsam mit Landwirten und Bäckern kümmern sich viele Müller um besondere oder alte Roggensorten, wie Champagner-, Lichtkorn oder Waldstaudenroggen.
Hafer, ehemals eines der wichtigsten Getreide – damals vor allem als Futter für Pferde als Zugtiere – hatte seit der Motorisierung massiv an Bedeutung verloren. Hier merken wir seit Jahren einen echten Aufwärtstrend. Zunächst in der Nachfrage von Hafererzeugnissen für die Ernährung. Mittlerweile wächst auch wieder die Anbaufläche in Deutschland. Wir setzen uns mit der Initiative Haferanbau für die Stärkung des Haferanbaus in Deutschland ein.
Wird der Verband Deutscher Mühlen in den letzten Jahren vermehrt auf Urgetreide angesprochen? Wenn ja, von wem?
Wir sind mit unserer Verbandsgeschäftsstelle in Berlin wichtiger Ansprechpartner, vor allem für Journalisten, die über Getreidetrends, auch zu Urgetreide und seinen regionalen Anbau berichten wollen. Brotgetreide, Weizen und Roggen, aber auch Dinkel, wird sehr regional produziert und verarbeitet. Etwa 95 Prozent des hierzulande verarbeiteten Getreides kommt aus Deutschland. Die Mehle werden ebenso regional vertrieben, 70 Prozent werden im eigenen Bundesland verkauft. Das ist etwas, worauf die Branche sehr stolz ist und was wenigen Verbrauchern so bewusst ist.
Haben Sie bereits Produkte mit Urgetreide probiert und wenn ja, was ist Ihr persönlicher Favorit?
Natürlich, schon aus rein fachlichem Interesse. Zuhause arbeite ich ganz gern mit Dinkel, weil er ähnlich unkompliziert ist wie Weizen. Plätzchen, Kuchen und Brot gelingen damit prima. Ich habe ein Rezept für ein schnelles Dinkelbrot, dass ich gern backe, weil es so einfach geht. Für unsere Verbraucherseite mein-mehl.de probieren wir mit Backprofis auch immer wieder Einkorn und Emmerrezepte aus, oder berichten von regionalen Besonderheiten wie Musmehl. Dieses Jahr haben wir beispielsweise den Trend Pancake Cereal aufgegriffen. Sie lassen sich aus allen möglichen Mehlen herstellen, eignen sich also auch gut für Emmer- und Einkornmehle, oder zur Verarbeitung von Mehlresten. Das Rezept gibt es hier.